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Forschungsexpedition mal drei: Die neuen Kampagnenmotive des Wissenschaftsjahres 2009

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Wissenschaft ist Spannung und Abenteuer. Das "Making of" der drei Kampagnenmotive des Wissenschaftsjahres 2009 war nicht weniger spannend. Vor allem Kinder und Jugendliche sollen die Bilder zum Entdecken der Weiten des Weltalls, zum Abtauchen unter die Wasseroberfläche und zur Reise in die unendlichen Eismassen der Antarktis faszinieren. Gerald Müller, Polartechniker des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, betrat für das Wissenschaftsjahr Neuland: Für das Motiv des Polarforschers stand der dreimalige Antarktis-Überwinterer vor der Kamera.


„Meine Tasche ist ständig gepackt“

Bild in der Großansicht Gerald Müller ist Polar-Techniker. Dreimal hat der 58-Jährige bereits in der Antarktis überwintert. Dort erfuhr er 1989 auch vom Mauerfall. Seit seiner Rückkehr arbeitet Müller für das Alfred-Wegener-Institut in Potsdam und hat an vielen weiteren Forschungsreisen teilgenommen. Für das Wissenschaftsjahr 2009 betrat der Abenteurer Neuland: Müller stand für die Kampagnenmotive der Forschungsexpedition Deutschland vor der Kamera. Seine nächste „echte“ Expedition wird ihn nach Kanada führen.

Lesen Sie hier das Interview mit dem Polar-Techniker Gerald Müller.

Wie war Ihr beruflicher Weg?
Ich habe eine Ausbildung zum Motorschlosser bei Trebbin gemacht. Nach 1,5 Jahren Dienst in der NVA dachte ich mir, es kann nicht schaden, sich weiter zu qualifizieren. Dann habe ich von 1970 an drei Jahre lang die Abendschule in Belzig besucht. Nach dem Meisterstudium zum Traktoren- und Schlossermeister arbeitete ich als Techniker in einer Pflanzenproduktion als Werkstattleiter.

Vom Techniker für Motoren zum Polar-Techniker, wie kam das?
Ich wollte nicht in der Werkstatt verkümmern, mal etwas anderes sehen und raus. Ein Freund erzählte mir, dass im Observatorium Techniker und Spezialisten als Überwinterer auf der Georg-Forster-Station in der Antarktis gesucht würden. Das fand ich interessant! Ich fragte mich, wie Motoren bei Kälte von bis zu minus 60 Grad funktionieren sollten. Springen Motoren dann überhaupt an? 1982 habe ich mich dann vorgestellt. Bis zu meinem ersten Einsatz musste ich aber ein halbes Jahr warten. Und mich einer Untersuchung auf Herz und Nieren unterziehen. Dann kamen die Impfungen, beispielsweise gegen Gelbfieber. Als das geschafft war, war ich dabei!

Wie sahen die Vorbereitungen für Ihre erste Expedition aus?
1983 habe ich in Potsdam die Expedition in die Antarktis mit vorbereitet. Wir haben drei Container á 20 Fuß gepackt: mit Ersatzteilen und Proviant für sechs Personen. Alles musste für 1,5 Jahre reichen. Mit mir sollten ein Koch, ein Elektriker und drei Wissenschaftler reisen. Der Proviant bestand natürlich nur aus Büchsen – darunter Eberswalder Würstchen. Und das Bier wurde streng rationiert: sonnabends gab es pro Kopf eine Flasche, an Feiertagen zwei.

Welchen Weg nahmen Sie in die Antarktis?
Von Rostock nahm ein Eisbrecher die Fracht mit. Zusammen mit zwei Geologen gehörte ich zum Vortrupp. Wir flogen von Berlin-Schönefeld nach Leningrad. Der Rest der Truppe kam mit dem Eisbrecher nach. In Leningrad bekamen wir von den Russen Polarkleidung: Kaljeschka-Jacken aus Kamelhaar und Fellstiefel. Die Klamotten waren richtig schwer und zu heute natürlich kein Vergleich. Aber auf die Kleidung lasse ich nichts kommen! Von dort ging es im Flugzeug nach Mosambik. Wir wurden in der DDR-Botschaft untergebracht. Von hier ging es per Flugzeug weiter über den Indischen Ozean nach Molodoschnaja, der zu dieser Zeit größten russischen Überwinterungsstation in der Antarktis. Von hier reisten wir noch 1000 Kilometer weiter zur DDR Station „Georg-Forster“.

Wie haben Sie die Ankunft erlebt?
Das erste Mal den Südpol betreten – das war für mich ein Erlebnis. Ich dachte: Jetzt habe ich es geschafft! Vom ersten Tag an war ich fasziniert. Diese riesige Weite und der Schnee. Ich war hoch beeindruckt. Und gleichzeitig wurde mir die Tragweite deutlich. Ich wusste, ich durfte nicht leichtsinnig sein und bloß kein Abenteuer suchen. Jeder Tag ist in der Antarktis ein Abenteuer für sich.

Was war Ihre Aufgabe während der Überwinterung?
Ich habe die Diesel-Station übernommen und war für die Stromgewinnung verantwortlich. Unter antarktischen Bedingungen ist alles anders, da muss man die Motoren schon gut kennen. Wenn der Strom ausfällt betrifft, das alle. Der Container, in dem ich schlief, stand quasi direkt neben den Motoren. Ich hörte jedes Geräusch.

Wie erfuhren Sie 1989 von der Wende?
Ich war praktisch kaltgestellt in der Antarktis. Per Funk hörten wir, dass Honecker zurückgetreten ist. Und die russischen Kollegen auf der Nachbarstation fragten uns: Was ist in der DDR los? Am Tag selbst riefen uns die Funker der Neumayer-Station an und sagten „Wir sind jetzt eine Truppe!“. Wir nahmen die DDR-Fahne runter, luden die Russen zu uns ein und feierten ein Fest. Kurze Zeit später wurden wir von dem deutschen Forschungsschiff Polarstern abgeholt. Auch hier feierten wir auf dem Schiff eine Versöhnungsfeier, bei dem die russischen Kollegen auch eingeladen waren.

In welche Länder haben Sie Ihre Expeditionen bereits geführt? Wohin führt Sie Ihre nächste Forschungsreise? Und wie sieht Ihre weitere „Expeditionsplanung“ aus?
Das sind ganz schön viele. Allein dreimal habe ich in der Antarktis überwintert. In Grönland, Australien, Sibirien und Spitzbergen habe ich auch schon gearbeitet. Meine nächste Expedition startet in vier Wochen, am Ostersonntag 2009. Das Ziel ist Kanada. Hier wollen die Wissenschaftler Erdschichten aus zugefrorenen Seen bergen. Damit können sie die Klimageschichte von zigtausenden von Jahren verfolgen. Meine Aufgabe ist es, die Bohrtechnik zu bedienen. Danach steht noch keine weitere Expedition fest. Mit 58 Jahren möchte ich jetzt auch ein wenig für meine Eltern da sein. Und sobald ich pensioniert bin, ein Buch schreiben. Ich habe seit meiner ersten Expedition jeden Tag Logbuch-Einträge gemacht!

Für das Wissenschaftsjahr 2009 – Forschungsexpedition Deutschland standen Sie vor der Kamera. Das Kampagnenmotiv zeigt einen Forscher bei der Arbeit in der Antarktis. Was genau machen Sie da auf dem Foto und wozu ist das gut?
Auf dem Foto lasse ich einen Ozon-Ballon steigen. In circa 20 Metern Höhe misst der Ballon Luftdruck und Luftgeschwindigkeit. Der Ballon funkt die Daten auf einen Monitor am Boden. Damit erforschen die Wissenschaftler, ob das Ozonloch größer wird und die Ozonschicht dünner.

Welche Arbeitsbedingungen sind härter, die im Polaranzug im heißen Scheinwerferlicht und unter der Regie eines Werbefotografen oder die „echte“ Forscherarbeit draußen in der Natur?
Mein Einsatz vor der Kamera war für mich Neuland. Natürlich sind die Bedingungen ganz anders als in der Antarktis. Dort friert man und der Wind fegt einem um die Ohren. Im Studio ist es heiß. Die Maskenbildnerin hat Eis in mein Gesicht gesprüht. Es war interessant zu sehen, wie man die Arbeit in einem Studio nachstellen kann. Ich fand es gut, die Arbeit, die in der Antarktis geleistet wird, vorzustellen.

Herr Müller, arbeiten Sie in Ihrem Traumberuf? Und was raten Sie Kindern und Jugendlichen, die auch im Polar arbeiten möchten?

Meine Tasche ist ständig gepackt. Ich könnte jederzeit losfahren. Wichtig ist, dass man sich auf engem Raum gut versteht. Der eine muss sich auf den anderen verlassen können, Wissenschaftler wie Techniker. Aber natürlich bringt der Einsatz im Eis auch Entbehrungen mit sich! Es ist ja eine lange Zeit, die man von zuhause weg ist, das ist schwierig für Freundschaften und es ist fast drei Monate dunkel. Für eine so interessante Tätigkeit muss man eben auch Abstriche machen. Aber: Die Arbeit macht ja richtig Spaß! Auf der Station sind Wissenschaftler und Techniker eine Einheit. Ich habe schon oft Diavorträge gehalten, vor jungen Menschen aber auch in Altenheimen – es ist toll, wie viele Fragen da gestellt werden. Noch heute denke ich mir manchmal: Das habe ich wirklich alles erlebt!

Werden Sie den Ausstellungszug „Expedition Zukunft“ besuchen, wenn er in Potsdam hält?

Ja, das ist doch interessant!


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